Das Nichtwissen als Machtinstrument

Es gibt diese Tage, an denen man einem Uralt-Kalauer nicht ausweichen kann. Heute ist so ein Tag:

EIn Toot aus eigener Produktion: "Wissen ist Macht. Nichts wissen macht nix. Bzw. ist der direkte Weg in die #autokratie" - dazu ein Link zu einem Alternet-Artikel mit einem Foto eines grinsenden Donald Trump.
Obacht, Opa schreibt schon wieder seinen Namen!

Vor ein paar Stunden verlinkte ich (ich probier’s mal mit einem direkten Link auf den Toot in der Hoffnung, dass er nicht bald wieder gelöscht wird – Einbetten von Mastodon-Toots ist immer noch nur per Plugin möglich.) auf einen Alternet-Artikel, in dem Kritik an der Absicht des Orange Jesus geübt wird, das US-Erziehungsministerium abzuschaffen. Garniert habe ich das mit dem Uraltspruch „Wissen ist Macht. Nichts wissen macht nix.“

Ja, tschuldigung.

Hinter solchen Ideen steckt aber mehr als nur die Absicht, die libs zu ownen und grinsend eine weitere Unterschrift zu filzstifteln. Dahinter steckt die gleiche Absicht wie hinter den Budgetkürzungen für öffentliche Bibliotheken, die Bücherverbrennungen Bücherverbote in Schulen und eben diesen Bibliotheken, den Budgetkürzungen für Bildungsstätten und Bildungsprogramme bis hin zu angedrohten oder wirklichen Rausschmissen (oder Einreiseverboten) für Wissenschaftler.

Das alles spielt nicht nur Trumps Herzenswunsch in die Hände, der Klügste Von Allen™ zu sein und zu bleiben (denn alles ist relativ, sogar Klugheit), und auch nicht (nur) der Wunsch der angeblichen Konservativen, das Wahlvolk so doof wie möglich zu halten, sondern auch die inzwischen offizielle Politik der MAGA-USA, wonach industrielle Produktion, Bergbau und ähnliche Tätigkeiten aus den letzten Jahrhunderten wichtiger, profitabler, männlicher und vor allem amerikanischer sind als solche neumodischen Dinge wie Forschung und Wissenschaft.

Eigentlich müsste das auch denen aufgefallen sein, die mit solch neumodischen Dingen reich geworden sind (looking at you, Microsoft, Google, Apple, Amazon et al.!) und sich trotzdem an den Bauunternehmer Bankrotteur der Hölle ranschmeißen wie nichts Gutes. Vielleicht tun sie es ja in der Hoffnung, The Donald doch noch davon überzeugen zu können, dass Wissen und Wissenschaft etwas Gutes sind und auf jeden Fall zukunftsweisender als ölbefeuerte Blechschlangen auf Autobahnen und Kohlekraftwerken in der Landschaft.

Wenn sie sich da mal nicht täuschen.

Nachtrag: Mit der Meinung, dass das Nichtwissen der einen die Macht der anderen sichert, stehe ich nicht alleine (hätte mich, ehrlich gesagt, auch gewundert). Robert Reich schreibt, ebenfalls für Alternet:

Ignorance is the handmaiden of tyranny.

[…]

Make no mistake: Trump’s attack on the American mind — on education, science, libraries, and museums — is an attack on the capacity of Americans for self-government.

It is coming from the oligarchs of the techno-state who believe democracy is inefficient, and want to replace it with an authoritarian regime replete with technologies they control.

What’s behind Trump’s attack on the American mind?

Miss Erfolgskontrolle

Während ich mit einem Klick die nächsten 38 Versuche lösche, mit Spamkommentaren Werbung für selbstverständlich absolut seriöse Geschäfte zu machen, sinniere ich gedankenvoll über die Industrie der Kommentarspammer nach. Klar: Spam, ob per Mail oder eben per WordPress-Kommentaren, ist eine der billigsten Formen, anderen auf den Zünder zu gehen der Werbung. Aber um wirkungsvolle Verbreitung zu erreichen, braucht es doch größere Stückzahlen, und dafür braucht es entweder ebenso unterbezahlte wie -belichtete Klicksklaven, ein Skript oder ein Botnet. Und all das kostet.

Im Falle des bekannten türkischen Escort-Service scheint es sich um ein besonders superbilliges Script oder dito Klicksklaven zu handeln, denn die Spamversuche kommen alle von der gleichen IP-Adresse, haben alle den gleichen, hier bereits zitierten Text und den gleichen Link zum Escort-Hauptquartier und unterscheiden sich nur durch mutmaßlich erfundene Mailadressen aus den Bereichen GMail, Yahoo (?) und Hotmail (???).

So billig die ganze Sache auch aufgezogen ist – als Oberhoncho und Pate der ganzen Operation wüsste ich irgendwann schon mal gerne, wie erfolgreich sie ist. Und nach geschätzt (zählen werde ich das auch noch…) 186 Versuchen nicht einen Screenshot eines erfolgreich durchgedrückten Kommentars vorweisen zu können, ist dann doch etwas peinlich.

Unplug!

Was bisher geschah: Am 5. November 2024 wurde Donald „The Donald“ Trump zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt. Am 8. November 2024 reaktivierte ich meinen leise schnarchenden GMX-Account, stellte sämtliche GMail-Logins darauf um, zog meine beiden Maildomains nach Karlsruhe (= GMX) um, schaufelte alle Daten von meinem Google-Drive auf meinen neuerworbenen GMX-Drive, dito alle Google-Photos erstmal zu Apples iCloud, und legte meinen Google-Account still. drei Tage nach der Wahl.

(Nebenbei bemerkt: GMX deshalb, weil es in einer sehr deutschen Art – es hat sowas Gusseisernes an sich… – das Google-Paket spiegelt, mit Mail, Kalender, Kontaktliste, Online-Office mit Speicherplatz in der Cloud, Tracking, was nicht alles (gegen das Tracking kann der Mensch aber was unternehmen). Die Zeit seither beschäftige ich mich mit der Optimierung des Umzugs, d.h. mit Alternativen zu GMX.)

Damit will ich überhaupt nicht sagen, ich hätte alles schon gewusst, obwohl ich in meiner Leseliste einige eher linksliberale US-Medien habe: salon.com, The Atlantic, Alternet, um nur drei zu nennen. Es war eher „ein ganz mieses Gefühl“ (H. Ford in verschiedenen Filmen und unterschiedlichen Rollen), das mich antrieb, meine Daten nach Europa, nach Hause zu holen. Und was ich seit dem Amtsantritt der Machtergreifung des 47. Präsidenten so lese, verschlägt mir einerseits so sehr die Sprache, dass ich auf diesen Seiten seit ihrer Wiedereröffnung höchstens sehr indirekt über Politik schreibe, obwohl sie der eigentliche Anlass für diese Wiedereröffnung darstellt. Andererseits muss ich in meinem Alter nicht nur auf die körperliche, sondern auch meine seelische Gesundheit achten, was zu einem gewissen Vogel-Strauß-Verhalten führen kann.

Trotzdem: ! Dass ganz sicher nicht meine kleine Abwanderung, vielleicht aber die kollektive einer Reihe von Europäer/innen zu Einnahmeverlusten auf der anderen Seite des Großen Wassers führen kann, ist aus meiner Sicht ein Nebeneffekt, ein möglicherweise marginaler. Was mir viel wichtiger ist: Ich möchte nicht, dass meine Daten von einem Regime ausgewertet werden können, das auf gesetzliche Regelungen oder auch nur den menschlichen Anstand pfeift. Zu diesem Regime zähle ich nicht nur den größenwahnsinnigen Bauunternehmer Bankrotteur und seine mafiösen Berater, sondern auch alle Opportunisten, die das gruselige Spiel mitspielen, alle, die ihr Rückgrat an der Garderobe abgegeben haben und jetzt ihre Machtlosigkeit bejammern (looking at you, high-ranking Democrats!) und auch die Konzerne, die vor dem Orangenen Jesus eingeknickt sind und seine Politik befördern, und sei es durch irrsinnige Spenden.

Natürlich bin ich nicht so blauäugig, zu glauben, mit der Aktion vom 8. November 2024 seien meine Daten in Sicherheit. Es gibt möglicherweise Backups, von denen ich nichts weiß, und den Google-Account und andere werde ich im Leerlauf schon deshalb beibehalten, weil zu viele meiner Mitmenschen ihn als meine einzige Mailadresse ansehen, auch wenn ich dann immer von einer EU-Adresse antworte. Aber ab sofort sind sie eben hier, und der nächste Schritt wird sein, sich über eine möglichst starke Verschlüsselung Gedanken zu machen. GMX hat hier übrigens genau das falsche Signal gesendet.

Denn auch in Europa gibt es Menschen, die gerne über die Daten ihrer Mitmenschen Bescheid wüssten.

Hey, türkischer Escort-Service!

Deine Versuche, mein Blog durch Wellen von jeweils fünf bis sechs Spamkommentaren zum Ausbau deines offenbar blühenden Geschäfts zu missbrauchen, sind zum Scheitern verurteilt rpt. zum Scheitern verurteilt.

Der Text ist immer der gleiche:

Sakarya Elit Escort Kızlarla Vip Bayanlar Esort Güzel Vakit Geçirin

…was lt. deepl.com heißt: „Haben Sie eine gute Zeit mit Sakarya Elite Escort Girls Vip Ladies Escort“. Ist das nun eine Frage oder eine Aufforderung? Satzzeichen, so wichtig!

Escort-Service, sag deinem Bot und/oder deinem ebenso unterbezahlten wie -belichteten Mitarbeiter, dass sie keine Chance haben, an den Kontrollen vorbeizukommen. Selbst wenn sie dem graubärtigen Zausel an der Hängebrücke seine drei Rätsel richtig beantworten.

Aber irgendwie rührend ist es auch wieder.

Der Mail-Exot aus Prag

Die Saga von der idealen Mail geht weiter – diesmal nicht auf der Seite der Dienste, sondern lokal. Gestern war’s, als ich schrieb:

Screenshot meines Toots: "Schön zu wissen, dass es außer mir noch andere Mailnerds gibt." mit einem Link zu einem heise-Artikel "Fünf wirklich gute Alternativen zu Outlook und Thunderbird"
Mail-Toot tut gut

Schön zu wissen, dass es außer mir noch andere Mailnerds gibt.

https://bonn.social/@kklein/114161936165255794

…verbunden mit einem Link zu einem Artikel über Fünf wirklich gute Alternativen zu Outlook und Thunderbird. Mal abgesehen davon, dass es zu Outlook noch nicht einmal gute Alternativen braucht – da tut es jede, und das Leben wird grundlegend besser… Aber zurück zum Thema.

Jan-Keno Janssen fasst in dem Artikel (eigentlich ist es ein Video mit Transkript) seine Eindrücke zu fünf Mailclients zusammen für diejenigen, die Webmail nicht ausreichend finden: eM Client, Canary Mail, FairEmail, AirMail und den eingebauten Mailclient von Vivaldi. Drei davon hatte ich schon mal ausprobiert; FairEmail nicht, weil Android-only, und AirMail nicht, weil Dings.

Der Vivaldi-Mailclient sieht sich in der Nachfolge des Mailers des „klassischen“ Opera-Browsers – mit einer Menge Datenbank-Klimbim im Hintergrund, der sicher sehr nützlich ist, aber die Ecken und Kanten im Frontend m.E. nicht ausgleicht. Und Canary Mail ist mir schon früher begegnet, als ich einen PGP-fähigen Mailer für iOS suchte und in Canary eine reichlich over-engineered App fand.

eM Client dagegen – als ich das in dem Transkript las, wurden Erinnerungen wach an meine Experimente mit eM Client unter Windows 10, an ein Mailprogramm, das so ziemlich alles konnte, was man mit Mail, Kalender und Kontakten anstellen kann, wenn auch nicht mit allen Anbietern gleich gut. Außerdem kommt der em Client – hallo, – aus Prag, Tschechische Republik, ist leider nicht open source (aber das ist unter den verbreiteten Mailapps doch ohnehin nur Thunderbird, oder?) und hat ein interessantes, wenn auch verwirrendes Lizenzmodell. Neben der Gratislizenz für den bescheidenen Privatnutzer gibt es noch verschiedene andere Lizenzen, für die es dann aber auch abzudrücken gilt. Und die Firma merkt sich das. Als ich den eM Client v. 10 heute auf dem Mac installierte, wußte er, dass ich mal für die Version 7 eine Lifetime-Lizenz gekauft hatte, die jetzt für die Version 10 genauso gültig war. Damals hatte ich dafür, glaube ich, € 89 bezahlt; heute kostet das gleiche € 149,95, dann aber gleich für drei Rechner. Richtig billig ist das nicht – mit Ausnahme der Gratislizenz (ach was!).

Der eM Client kriegt auf meinem Mac also eine neue Chance – was aber wirklich interessant ist: Es gibt ihn inzwischen auch mobil, für iOS und Android. Und weil die Desktop-Version Verschlüsselung nach PGP und S/MIME beherrscht, tun das die mobilen Versionen auch. Verschlüsselungsnerds, die sich bisher mit Canary Mail oder anderen Exotenlösungen auf ihren Mobilquatschen herumgeplagt haben, horchen interessiert auf.

Aber ist das nicht ähnlich over-engineered wie Canary (s.o.)? Klar, isses, auch wenn die mobilen Versionen längst nicht so viele Einstellungsmenus zum Darin-Verirren haben wie die Desktopversion; sie können auch keine Kalender und wollen nicht recht mit der iOS-Kontaktliste. Was aber sehr schick ist: Die Einstellungen lassen sich per QR-Code von einem Gerät aufs andere übertragen.

Was die App wirklich kann, werde ich in den nächsten Tagen herausbekommen. Ich bin gespannt.

Nachtrag: Leider glauben auch die Menschen hinter dem eM Client, mit KI-Zauber Punkte machen zu müssen. Zum Glück ist das ein kostenpflichtiges Add-on und deshalb auf meinen Geräten nicht zu finden. Ich schreibe mir meine Mails noch selber.