Natural stupidity

Das Gegenteil von Artificial Intelligence ist bekanntlich Natural Stupidity. Oft genug sind die Ergebnisse aber nur schwer zu unterscheiden. Deshalb habe ich meine Gründe, AI (auf deutsch: KI) so weit wie möglich zu umgehen. Hier sind sie:

  • Googlenutzer (und leider auch die Nutzer anderer Suchmaschinen) wissen es längst: AI ist in der Lage, im Brustton der Überzeugung geniale Erkenntnisse ebenso wie halluzinierten Blödsinn von sich zu geben. Das hängt einerseits am Error Code 42 (= sitzt 42 cm vor dem Bildschirm) zu tun, da wir doofen Menschen immer noch nicht gelernt haben, uns so auszudrücken, dass Maschinen uns korrekt verstehen. Andererseits liegt es auch oft genug daran, dass die Maschine den korrekten Kontext, in dem die ihr gestellte Frage steht, nur ungenau oder ganz falsch errät. Und nicht zuletzt liegt es daran, dass das Internet, wer wüsste es nicht, mit geistigem Müll vollgeschrieben wurde ebenso wie mit aufregenden wissenschaftlichen Neuheiten, und das die Maschine beides gleich behandelt und auswertet. Einen bias zugunsten der liberal arts will man sich ja nicht vorwerfen lassen.
  • Eher abschreckend finde ich auch, mit welcher Blauäugigkeit sogar intelligente Menschen akzeptieren, was ihnen AI vorwirft. Konkretes Beispiel aus meinem erst vor einem guten halben Jahr zu Ende gegangenen Berufsleben: eine Diskussion über die Unterschiede zweier in den Bewegtbild(hahaha!)-Medien gebrauchten Begriffe. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass derartige Begriffe nicht unbedingt absolut zu nehmen sind, sondern ihr Gebrauch sich im Lauf der Zeit an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich entwickelt hat. Das kann und muss aber eine AI nicht unbedingt wissen.
    So kann es also vorkommen, dass ChatGPT zwei Begriffe in einer Art definiert, die in Umgebung A richtig, in Umgebung B aber sinnentstellend falsch ist. Wenn dann ein Projektmensch mit einem gewissen Stolz verkündet, dass ChatGPT das aber so definiert, ist der Kontakt des eigenen Kopfes mit der Tischkante nicht mehr weit.
  • Einen Teil meiner Tätigkeit in einer vom Urheberrecht (mit-) bestimmten Branche habe ich damit verbracht, für die Einhaltung eben dieser Urheberrechte zu kämpfen arbeiten. Konkret: Ich musste in den späten Nuller-Jahren erschreckend vielen Kolleginnen und Kollegen erklären, dass ein Video nicht allein deshalb verbreitet (= gesendet) werden darf, weil es im Internet stehe und deshalb öffentlich verfügbar sei. Einige hielten mich damals für einen Spielverderber. Immerhin wurde u.a. mit meinem Input anschließend ein recht ausgefuchstes Rechtemanagement entwickelt.
    Und nun kommt eine ganze Industrie und sagt, die Einhaltung von Urheberrechten mache den Fortschritt unmöglich – und wertet unterschiedslos alles aus, was ihren Bots in die ungewaschenen Krallen fällt. Aktuelles Beispiel: OpenAI’s Studio Ghibli meme factory is an insult to art itself.

According to Evan Brown, an intellectual property lawyer at the law firm Neal & McDevitt, products like GPT-4o’s native image generator operate in a legal gray area today. Style is not explicitly protected by copyright, according to Brown, meaning OpenAI does not appear to be breaking the law simply by generating images that look like Studio Ghibli movies.

However, Brown says it’s plausible that OpenAI achieved this likeness by training its model on millions of frames from Ghibli’s films. Even if that was the case, several courts are still deciding whether training AI models on copyrighted works falls under fair use protections.

OpenAI’s viral Studio Ghibli moment highlights AI copyright concerns
  • Aus dem selben Grund (vier Jahrzehnte in den Medien) kann ich es nicht gut finden, wenn AI dafür genutzt wird, Inhalte zu erzeugen, die im Gegenzug nicht mehr von mehr oder weniger gut bezahlten Menschen erzeugt werden müssen. Diesem Problem sehen sich nicht nur Medienmenschen gegenüber, sondern Berufstätige in vielen Branchen. Das macht die Sache aber nicht besser.
  • Dass Generative AI zu allem Schlechten auch noch ein Ressourcenfresser erster Sorte ist, muss ich nicht extra erwähnen, oder? Ressourcen sind ja offensichtlich kein Problem mehr – man muss ja nur danach bohren (Trump) oder sie in Russland kaufen (AfD u.a.).
  • Und schließlich mag ich AI nicht, weil ich langsam ins Stadium des präsenilen Krückstockfuchtelns komme. Das kann durchaus auch ein Grund sein, doch, ja.

Wie dem auch sei: Ich finde AI unnütz oder sogar gefährlich und umgehe sie deshalb, so weit es mir möglich ist.

Ein Blick in den Mülleimer

Mit dem Mülleimer im Titel ist heute nicht einer der physikalischen Mülleimer gemeint, die hier so rumstehen (Note to self: Biotonne muss noch an den Straßenrand!), sondern der virtuelle, in den ich täglich immer noch mehrere -zig Spamnachrichten kippe, die es gerne in die Kommentarbereiche dieser Seiten geschafft hätten (aber dank zuverlässig arbeitender Plugins nicht schaffen).

Und da zeigt sich, dass zumindest meine ganz persönlichen Spammer noch sehr in einer anderen Zeit leben. Neben dem inzwischen an dieser Stelle reichlich lächerlich gemachten türkischen Escort-Service wollen nämlich Finsterlinge mir und allen, die es (dank der o.a. Plugins eben nicht) zu lesen bekommen, Dinge anpreisen, die vor allem blockchain-basiert oder gar blockchain powered sind. Dabei wissen auch diejenigen, die nicht in der Wikipedia nachlesen müssen oder wollen, was eine Blockchain ist, dass es sich dabei um eine theoretisch interessante, praktisch aber besonders langsame, umständliche und auch unwirtschaftliche Form einer Datenbank handelt. Aber blockchain powered, das ja!

Die andere Hauptgruppe der Möchtegernkommentatoren dagegen dealt mit Kryptowährungen oder behauptet das wenigstens. Dabei werben sie vor allem mit Bitcoin, weil das blöhöde Volk ja die etwas exotischeren Formen von Digitalplunderwährungen wie Ethereum gar nicht kennt. Nun hätte ich die Bitcoin-Geschäftemacher bis vor kurzem ebenso als aus der Zeit gefallen einsortiert wie everything blockchain. Aber seitdem der Orange Julius (der Name gefällt mir noch besser als der Orange Jesus!) sein Herz für Bitcoin & Co. entdeckt hat und jetzt sogar Staatsreserven in Bitcoins einrichten will, bin ich mir gar nicht mehr so sicher, dass das a thing of the past ist. Seufz.

Auf jeden Fall ist es ein thing, das bei mir zuverlässig im Mülleimer landet.

Nachtrag: Was die russischen Kommentarspammer, die dritte große Gruppe im Mülleimer, eigentlich von mir will, weiß ich mangels Sprachkenntnissen leider nicht. Was Gutes wird es aber nicht sein.

Hey, Mr. Postman!

Es war 1985 in Frankfurt/Main, als ich mich – nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal – beruflich in einer Lage wiederfand, die mich überforderte. Ich war für meinen damaligen Arbeitgeber auf der westdeutschen Buchmesse und hatte am Abend vor der Überforderung erfahren, dass ich am nächsten Vormittag den US-amerikanischen Kommunikationswissenschaftler Neil Postman zu seinem frisch auf Deutsch erschienen Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ interviewen sollte. Ich war nun nicht völlig unvorbereitet zur Buchmesse gefahren – den Postman aber hatte ich nicht gelesen. Bzw. nur die Seiten, die ich am Abend im Hotelzimmer noch in mich hineinbekam.

Das Interview war entsprechend banal, und Professor Postman teilte wohl mit mir den Eindruck „Was sollte das denn jetzt?“

Im Nachhinein habe ich das Buch doch ganz gelesen – und gedacht: Das, also eine Fernsehlandschaft, in der infotainment die Information verdrängte, Fakten zunehmend durch Emotionen ersetzt und das Urteilsvermögen des Publikums nachhaltig geschädigt wird, das alles ist doch sehr weit weg. Das war anderthalb Jahre nach dem Sendestart des privaten Fernsehens in Deutschland, Satellitenempfang war zwar möglich, aber nicht verbreitet, und in Baden-Baden, wo ich damals wohnte, gab es sowas gleich gar nicht.

Fernsehen wurde nicht für Idioten erschaffen – es erzeugt sie.

N. Postman, Wir amüsieren uns zu Tode, 1985

Sieben Jahre später schrieb Postman dann:

Unsere Abwehrmechanismen gegen die Informationsschwemme sind zusammengebrochen; unser Immunsystem gegen Informationen funktioniert nicht mehr. Wir leiden unter einer Art von kulturellem Aids.

N. Postman, Wir informieren uns zu Tode, 1992

Für eine Medienkassandra hatte ich Prof. Postman bei unserem Treffen in Frankfurt nicht gehalten, seine Thesen aber doch für reichlich düster. Das ist jetzt vierzig Jahre her, und Himmel, hat er Recht behalten! Er hat es zwar nicht so formuliert, aber sogar die Bannon-Methode „Flood the zone with shit“ hat er als Vermüllung des Publikums und seines Weltbildes vorausgeahnt. Und jetzt haben wir einen US-Präsidenten, der ohne Umweg vom Trash-Fernsehen und ohne Qualifikation außer der medialen direkt ins Weiße Haus gekommen war, und zu dessen Rückkehr eben das gleiche Fernsehen entscheidend beigetragen hat.

Und auf unserer Seite des Atlantik? Nicht nur, dass das Unterschichten Privatfernsehen unter dem Stein hervorgekrabbelt ist und inzwischen eine ganz andere Rolle spielt. Auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen (Disclosure: Ich war fast mein ganzes Berufsleben Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Systems) trägt zur Verdummung bei – ausgerechnet mit den Formaten, die neben den Nachrichten zur politischen Bildung und Aufklärung beitragen könnten. Richtig: die Talkshows, in denen überraschend oft auch Vertreter des Populismus auftreten und ungeprüftes Zeugs verbreiten dürfen.

Was ist mit den anderen Medien? Nun, aktuelle Nutzungsstatistiken habe ich nicht vorzuliegen. Aber das Leitmedium meiner Jugend (wir erinnern uns: im letzten Jahrtausend muss das gewesen sein), die gedruckte Tages- und Wochenpresse, spielt, vermute ich, kaum noch eine Rolle bei der Meinungsbildung; eine Ausnahme dürfte nur das Pöbelblatt mit den VIER BUCHSTABEN darstellen. Das Radio ist unterdessen etwas, das man im Auto hört – und auch das ist möglicherweise eine Technik auf dem absteigenden Ast. Und das Internet? Hach ja, das Internet, wo jede/r schreiben (oder in eine Videokamera hineinsagen) kann, was er/sie will…

Jetzt wäre eigentlich der Absatz mit den konstruktiven Vorschlägen und dem optimistischen Aussichten fällig. Aber den lasse ich heute mal weg.

Note to self: Heul doch!

Und wenn wir schon mal beim Thema „Verschlüsselung im Netz“ sind: Ich kann, will und werde es nicht verstehen, warum die Menschen um mich herum immer noch nach dem (gerade nicht so gemeinten) Buchtitel „Dann haben die halt meine Daten. Na und?“ verfahren, und es erst einen Trump braucht, um sie zumindest von US-amerikanischen Datensammlern gaaanz langsam, Schritt für, äh, wo war ich – ach ja: Schritt wegzubekommen.

Ja, ich weiß, Mail zu verschlüsseln ist vizekompliziert („viel zu kompliziert“) und für Outlook-Nutzer ohne Microsoft certified engineer nahezu unmöglich – und dann gibt es auch noch zwei zueinander inkompatible Standards, PGP und S/MIME. Dabei ist die Sache schon nicht mehr so kompliziert, seit es für Webmailer Browser-Plugins wie Mailvelope oder (nur für GMail) FlowCrypt gibt – und GMX das sogar bis zum Beweis des Gegenteils in das eigene Angebot eingebaut hat.

Aber Mail verliert ohnehin an Bedeutung, seit es mehr (Signal) oder weniger (Telegram) verschlüsselte Messenger gibt, die einem die ganze Arbeit mit der Verschlüsselung abnehmen und das darüber Nachdenken noch dazu.

Dass aber ausgerechnet ein Messenger mit reichlich unklaren russischen Wurzeln und einer mit Sitz in den USA marktführende Rollen spielen in Zeiten von und , will mir nicht in den Kopf. Klar, Signal gehört zu den Guten, aber die Server, über die der Dienst läuft, nicht. Und Telegram sitzt in Dubai. Und in London. Und in Belize. Oder auch nicht.

Und trotzdem zucken die Menschen mit den Achseln, wenn ich ihnen von Threema, Wire oder Delta Chat erzähle – die vielen kleineren Messenger und offenen, aber komplizierten Protokolle mal ganz außen vorgelassen. Sie benutzen Signal wie vor zehn und E-Mail wie vor hundert zwanzig Jahren.

Na gut. Dann heul‘ ich eben.

Krypto, aber von der guten Art

(Man nennt es Click baiting, und vielleicht fällt auch der eine oder andere Crypto-Fanboi drauf rein, aber hier geht es um Verschlüsselung, nicht um sog. „Währungen“ ohne echte Deckung. Ätsch!)

Im Rahmen meines Datenumzugs habe ich einem großen deutschen Provider für Mail & Zeugs vorgeworfen, falsche Signale zu senden. Der Hintergrund: GMX hat den „GMX Tresor“ abgekündigt, eine in das eigene Cloudangebot eingebaute Verschlüsselungslösung. Auch wenn es Aufwand bedeutet, angebotene Lösungen auch zu pflegen – ich bleibe dabei, dass es ein falsches Signal ist.

Weil ich im Folgenden aber zu doof war nicht in der Lage war, die Software, die auch in dem GMX Tresor steckte, nämlich Cryptomator, mit dem Sync-Client zwischen GMX Cloud und meinem Mac zum Laufen zu bringen, habe ich seufzend meine Daten in Umzugskisten gepackt zu einem anderen Cloudanbieter kopiert, wo sich auch Cryptomator anständig einrichten ließ. In Ruhe gelassen hat mich die Sache aber nicht, und es stellte sich heraus: Natürlich arbeitet Cryptomator auch mit GMX zusammen, auf dem Desktop und mobil, wie mit jedem anderen Anbieter, der WebDAV als Zugangsprotokoll zu seiner Cloud anbietet. Weiß der Geier, was ich beim ersten Versuch falsch gemacht habe („Der Geier weiß das?“).

Deshalb meine Empfehlung an alle, die ihre Daten verschlüsselt in der Cloud sichern/lagern wollen, Rundumsorglos(?)pakete wie Proton Drive, Filen.io oder Tresorit zu teuer finden (unter uns: die sind gar nicht teuer, aber gratis sind sie eben nicht): Guckt Euch den Cryptomator an: Made in Germany, verschlüsselt die Daten lokal und schickt nur die verschlüsselten Daten irgendwo hin, synchronisiert sich über alle mir bekannten Betriebssysteme hinweg und ist auch sonst empfehlenswert.

Für Android und iOS gibt es eine lebenslange Lizenz für (derzeit) € 14,99, die ich offenbar mal bezahlt habe, weil sie problemlos auf meinen iThings läuft. Auf dem Desktop ist Cryptomator Donationware.