Resignation, zweiter Teil. Oder?

Liegt es am Älterwerden, oder liegt es daran, dass der Mensch versucht, dort einen Sinn zu erkennen, wo es keinen gibt?

Woran zum Beispiel liegt es, dass Nazis und andere Rechtsaußen so ungern „Nazis“ und „rechtsaußen“ genannt werden und darob gerne und nahezu reflexartig in Morddrohungen oder wenigstens Wutgeheul (neuestes Beispiel hier) ausbrechen? Der einfachste Weg, nicht „Nazi“ (oder „rechtsaußen“, jaja) genannt zu werden, ist, keine/r zu sein. Wird keine/r dazu gezwungen.

Woran liegt es weiterhin, dass Hass, Beschimpfungen, Drohungen zu allgemein anerkannten und akzeptierten Formen der öffentlichen Diskussion werden konnten – und die resultierende Gewalt als, hmja, bedauerliche aber irnzwie nicht zu vermeidende Folge hingenommen wird? Dass Missgunst zum legitimen und offenbar inzwischen wahlentscheidenden Momentum von Politik werden konnte? Und dass kurz gedachte und ebenso unters Volk gebrachte Meinungsäußerungen als das Verhalten erwachsener Menschen durchgehen können (das gilt auch für Sie, Herr Söder, und für Sie, Herr, äh, Dings, also der, der meinte, gelb-rosa wäre eine gute Farbkombi für eine Partei)?

Woran liegt es, das alles, was nach der eigenen Grundschulzeit erfunden wurde, als neumodischer Kram, nutzlos, schädlich oder gar (grusel!) „unwirtschaftlich“ verteufelt werden muss darf, auch wenn das jeweilige Gegenteil längst nachgewiesen ist? Siehe auch Reiche, K., Merz, F., Söder, M. et al.: Windräder, Solarenergie, Elektromobilität, Internet et al.

Woran liegt es schließlich andererseits (i.S. von „auf der anderen Seite“), dass links von der Mitte ein an sich erfrischendes Zitat eines an sich erfrischenden Politikers (F. Müntefering, „Opposition ist scheiße“) so gründlich internalisiert wurde, dass programmatische Aspekte hinter der (offenbar kritiklosen) Beteiligung an Regierungsmacht zurücktreten müssen?

Fragen über Fragen, keine Antworten in Sicht. Was bleibt, ist Krückstockgeschüttel.

Resignation in Tech

Ab morgen ist September, das „Draußen“ sieht heute schon ein wenig herbstlich aus – Zeit also für eine Erwachsenenportion Depression Resignation. Und um die Sache nicht allzusehr auszuweiten, resigniere ich halt ein wenig in dem Bereich, der uns alle, die hier mitlesen, und die paar anderen auch, verbindet: das Netz und die Technik dahinter, die Möglichkeiten, die uns geboten sind, und die, die wir nicht nützen.

Wer hier schon länger, d.h. auch vor dem x-ten Neustart im Frühjahr 2025, mitgelesen hat, kennt meine Begeisterung für alternative Betriebssysteme, für schicke Browser und Mailprogramme, für ziemlich schwer knackbare Verschlüsselung, für sichere Messenger, für soziale Netze…

Zumindest die letzte Begeisterung hat als erste schwer nachgelassen, als wir 2018 erfuhren, wie Facebook mit den Daten seiner Users umgegangen ist – Stichwort: Cambridge Analytica. Seitdem habe ich keinen Account bei irgendeiner Ausgabe des Systems Facebook (heute Meta) mehr – nicht bei Facebook selbst, nicht bei Instagram, und schon gar nicht bei WhatsApp. Und wenn ich mich aus diesem oder jenem Grunde nicht schon vorher in Richtung Einzelgänger entwickelt hätte – spätestens mit dem Lossagen von WhatsApp wäre es passiert. Irgendwie sind auch in meiner Umgebung, vom Kater mal abgesehen, (fast) alle noch WhatsApp-Users. Fast so, als hätten sie den Titel des Buches, das ich in den Jahren seither immer mal wieder verschenkt habe, wörtlich genommen: „Dann haben die halt meine Daten. Na und!?“

Seufz. Ganz so weit bin ich noch nicht verkommen gekommen. Aber auch meine Begeisterung für fortgeschrittene Technik flackert immer seltener auf. Meine Mail läuft über einen bekannten Massenmailer (ist ohnehin vor allem Kommunikation mit Maschinen, Rechnungen & so), meine PGP-Schlüssel habe ich irgendwo verlegt, persönliche Kommunikation findet überwiegend in Signal statt, und wenn ich schon mal was neues, halbwegs Aufregendes entdecke wie einen Messenger, der Messaging, PGP-Verschlüsselung und die anbieterunabhängige Plattform SMTP (vulgo Email) miteinander verknüpft, so interessiert es die verbliebene Leserschaft dieser Seiten ebenso wenig wie die dito persönliche Umgebung. Schnief. Dann eben nicht.

Gleichzeitig interessiert umgekehrt mich eine Entwicklung nur wenig, die offenbar alle anderen (Mitlesende evtl. ausgeschlossen) restlos begeistert: LLMs, gerne als künstliche Intelligenz gehypet und vermarktet. Mit Freude lese ich, dass der Mann hinter dem Browser meiner Wahl den Quatsch, KI der Menschheit jetzt über ihre Browser aufzudrücken, nicht mitmachen will. KI ist gefährlich, verdummt die Users, schadet dem Planeten, was nicht alles – das steht so oft im Netz, dass ich es nicht auch noch aufschreiben muss.

So koppele ich mich langsam von all dem ab, was das letzte Vierteljahrhundert mein privates Denken ebenso beeinflusst wie mein berufliches Dasein gesichert hat. Und dann soll der Mensch nicht resignieren.

Und jetzt regnet’s auch noch.

Status catus

Für alle, die voller Sorge vom Schreck des Katzenbesitzers (der erste Verdacht des veterinärmedizinischen Laien: Schlaganfall) gelesen haben und jetzt wissen wollen, was seitdem geschah: Jonny Kater ist auf dem Weg der Besserung, wenn auch vorsichtig – und das zu Recht.

Jonny, ein älterer Kater, sitzt, etwas verdrießlich guckend, in einer Versandkiste mit der Aufschrift "100% recycelbar".
100% recycelbar: Jonny auf dem Weg der Besserung

Den verdrießlichen Blick hat der Katz oft drauf; wahrscheinlich verwechselt er das mit Coolness. Aber er streift inzwischen nahezu ungebremst durch sein Revier (die Wohnung), springt wieder aufs Sofa, was er in den Tagen davor tunlichst vermieden hatte, fordert das allabendliche Gerangel vor der Tagesschau ein (ja, wir haben seltsame Angewohnheiten) und zeigt vor allem, vom manchmal noch unsicheren Gang abgesehen, keins der ursprünglichen Symptome mehr: kein Kopfzittern, keine Schiefhaltung, keine ungleich großen Pupillen. Dafür hat er einen gesunden Katerappetit.

Dazu beigetragen hat wohl auch DIE PILLE (nur echt in Versalien), die er sich zweimal täglich zu nehmen geweigert hatte. Inzwischen habe ich herausgefunden: Pille in Katerschnauze wird wiederholt ausgespuckt. Pille in Nassfutter – keines Falls. Zermahlene Pille in Nassfutter – „willzemir vajiftn?“ Pille zermahlen übers Trockenfutter gestreut – offenbar kein Problem. Oder der Hunger treibt’s rein.

Werbepause

Weil ich gerade zum x-mal (wenn auch erst zum ersten Mal für heute) eines dieser „Wir müssen über Deinen Werbeblocker reden, ey“-Overlays weggeklickt habe: Ja, ich habe Adblocking in meinem Browser – keine Erweiterung wie das durchaus geschätzte uBlock Origin, mein Browser hat sowas gleich eingebaut, und es ist recht wirkungsvoll (danke, Vivaldi!). Aber…

Liebe Kollegen von den Medienseiten, auf denen diese Popups gerne auftauchen, seid doch bitte so ehrlich (bzw. fordert Eure Werbepartner auf, so ehrlich zu sein) (bzw. sind wir doch zur Abwechslung alle mal ehrlich zueinander) und gebt/geben wir zu, dass die Begriffe „Werbeblocker“ bzw. „Adblocker“ die Sache nur teilweise beschreiben. Ja, sie blenden Werbung auf den besuchten Webseiten aus, was angesichts der durchaus unterschiedlichen Qualität dieser Werbung schon ein Segen an sich sein kann. Wovon aber in den Jammernachrichten der Werbetreibenden („Wir müssen über…“ – s.o.) erstaunlich selten, eigentlich nie die Rede ist: Onlinewerbung ist ein sehr beliebtes Mittel, das Surfverhalten der User, also auch meines, zu tracken. Und während ich die Qualität der ausgespielten Werbung oft als Beleidigung mal für den guten Geschmack, mal für die Intelligenz betrachte, ist Tracking ein direkter Angriff auf die Privatsphäre der Menschen, die im Netz unterwegs sind. Und deshalb müssen wir eben nicht über meinen Adblocker reden – der bleibt aktiv!

Was uns zum zweiten Punkt bringt: Der Sinn von Werbung, die den Menschen im Netz buchstäblich aufs Auge gedrückt wird. Ob es nun die Jammer-Overlays aus dem ersten Absatz sind oder die recht direkten Versuche großer Werbefirmen (looking at you, Google…!), Adblocker auf andere Weise loszuwerden, indem man sie z.B. als unsicher brandmarkt und im eigenen Browser deaktiviert – das Ergebnis ist ausgespielte Werbung (und dto. Tracking, s.o.). Ich weiß ja nun nicht, wie es Ihnen geht, aber auf Inhalte, die ich nicht sehen will, die mich nicht betreffen und nicht interessieren, klicke ich auch nicht. Die ausgespielte Werbung ist also zu einem alarmierend großen Prozentsatz verschwendete Zeit, verschwendete Kreativität, verschwendete Bandbreite, verschwendeter Platz im Browserfenster. Nachhaltig geht anders. Und auf Versuche, mir den Quatsch trotzdem und mit aller (Markt-) Macht zu zeigen, reagiere ich extrem allergisch und empfehle das auch allen anderen.

Werbung ist, um mir die Plattheit an dieser Stelle zu erlauben, das zweitälteste Gewerbe der Welt – nach der Landwirtschaft natürlich, was dachten Sie denn? Aber zwischen, sagen wir, großen Werbetafeln an italienischen Landstraßen der sechziger Jahre und „Du musst jetzt meine Werbung gucken, sonst geht das Internet pleite!“-Argumenten liegen Welten der Aufdringlichkeit, aber auch der Wertschätzung der künftigen Kundschaft.

Wäre doch schön, wenn – um beim Beispiel aus dem zweiten Absatz zu bleiben – Medienmacher im Netz ihre Kreativität weniger auf dummsinnige Sprüche verwendeten als auf die Entwicklung weniger aufdringlicher Wege der Finanzierung. Zwangswerbung ist äh-bäh aufdringlich, ebenso wie übrigens – aber das ist eigentlich eine andere Geschichte – Abo-Paywalls. Ich bin nicht der Einzige, der für das Lesen eines einzigen Artikels kein ganzes Abo abschließen möchte. Als Alternative schlagen ich und viele andere Pay-per-view vor, also das einzeln bezahlte und abgerechnete Angucken einzelner Inhalte. Das ist bzw. wäre eine reelle Art, Inhalte zu vermarkten und Werbung zu reduzieren.

Man wird doch noch träumen dürfen…

Diesen Text habe ich etwa vier Stunden geschrieben, bevor ich das hier fand: Der Standard, „Deutschland könnte nach China das zweite Land werden, das Werbeblocker verbietet“.

Ach je, ach ja…

Der Reihe nach: Dass mein Aortenklappenersatz, hier in Betrieb seit Juli 2015, nach knappen zehn Jahren seinen Dienst aufgegeben hat und mir das Leben (ausgerechnet!) seit der Pensionierung erschwert hat, hatte ich ja schon gelegentlich angedeutet. Die OP ist gut verlaufen, und jetzt tut Klappenersatz 2.0 seinen Dienst. Es folgte und folgt die ambulante Reha, mit dem in solchen Fällen üblichen Gestrampel auf Zimmerfahrrädern, Hockergymnastik (einer Sache, die sicher hilft, die ich aber auch mit 66 ein wenig unter meiner Würde finde – zumindest so lange, bis ich außer Atem und froh um meinen Hocker bin), aber auch Massagen etc.

Und da komme ich in der letzten Woche abends nach Hause und finde einen völlig verwirrten und verzweifelten Kater vor, mit wild wackelndem Kopf, Augen, die unkontrolliert von einer Seite zur anderen wandern, und außerstande, zu gehen. Stattdessen fällt das arme Tier nach ein, zwei Schritten immer wieder um und klagt herzzerreißend.

„Schlaganfall!“ dachte ich, und weil meine Tierärztin Praxisurlaub machte, rief ich den mobilen Notdienst an. Es erschien eine Tierärztin, die zum Glück einen Namen für das Drama hatte, der nicht „Schlaganfall“ lautete. Der Kater bekam Infusionen und Spritzen, ich bekam Pillen, die ich ihm geben soll, bis meine Tierärztin wieder da ist, und ebenfalls eine halbe Flasche Infusionsflüssigkeit für den nächsten Tag.

Ehrlich gesagt: Davor hatte ich am meisten Schiß – dem armen, verwirrten, aber durchaus noch nicht kraftlosen Katz zwei Infusionen verpassen zu müssen. Dabei war das wirklich einfach; der Kater nahm das widerspruchslos hin. Die Pillen dagegen… Katzenbesitzer wissen, was ich meine.

Das ist jetzt vier Tage her. Der Kater kann wieder gehen, wenn auch noch ein wenig unsicher, und manchmal trägt es ihn noch aus der Kurve. Aber auch das bekommt er in den Griff. Er nimmt seine alten Gewohnheiten wieder auf, sofern sie in Bodennähe stattfinden, unterhält sich mit mir und schnurrt, wenn ich ihn streichele. Und ich wünsche mir so sehr, dass er weiter gesund wird.

In der Zwischenzeit denke ich darüber nach, was ich mit diesen Seiten in Zukunft machen soll. Einerseits habe ich nicht jeden Tag häusliche Dramen zu berichten (uff!), andererseits interessieren die außer den Kater und mich im Grunde niemanden. Und so habe ich hier eine WordPress-Installation am Laufen, die zwar mit dem Fediverse verbunden ist, um die ich mich aber wie um meinen Mastodon-Account in den letzten Monaten nicht wirklich kümmern konnte.

Die eigene Webseite aufgeben will ich nicht (wer weiß, wozu man sie noch braucht), aber vielleicht tut es vorübergehend doch eine statische Seite oder wenigstens ein Blog auf Basis von statischen Seiten. Ich finde WordPress nach wie vor eine interessante Lösung auch für Menschen, die ein technisch ausgefuchstes Blog sonst nie betreiben könnten – aber… nun ja.