Wem mögen die Konzerne gehören?

Seit es (für mich) E-Mail gab, also seit 1993, habe ich ein Faible für dieses Kommunikationsmittel. Über die Jahre hat sich dabei die Art des Faszinosums (dieses Wort hat den CDU-Politiker Philipp Jenninger mal den Job gekostet, zum Glück in einem anderen Zusammenhang) verändert. War es anfangs noch „Ui! Post! Sofort! Und gratis!“, war es später vor allem, dass Mailadressen universell verfügbar und als ebenso universelle ID verwendbar waren und sind.

Inzwischen hat die olle Mail vor allem bei Jüngeren an Attraktivität verloren. Wer seiner – oder im konkreten Fall meiner – Tochter schon eine Mail geschickt und allen Ernstes eine Antwort darauf erwartet hat, weiß, wovon ich rede. Messenger haben die Nachfolge der Mail angetreten, und zum Teil sogar zu Recht. Überzeugende oder leider auch weniger überzeugende oder gar nicht vorhandene Verschlüsselung ist einer der Gründe für diesen und gegen jenen Messenger.

Zurück zur E-Mail. Gmail-Kunden mögen es vielleicht nicht glauben, aber eine immer noch wichtige und attraktive Eigenschaft von E-Mail ist Dezentralität. Erstaunlicherweise ist es nämlich nicht Pflicht, einen E-Mail-Account bei GMail anzumelden und zu betreiben. Es mag gute Gründe dafür geben; Googles erklärte Geschäftsziele und -praktiken sprechen eher dagegen. Und das irgendwann im letzten Jahrtausend entstandene Mailprotokoll SMTP erlaubt das sogar: Jeder Mailserver (der sich an das Protokoll hält) spricht mit jedem – sogar mit einem Exoten.

Die Freiheit der Wahl beschränkt sich – Leser dieser Seiten haben das längst internalisiert, gell? – nicht auf Mailanbieter, sondern erstreckt sich auf die bereits erwähnten Messenger und auf Kurznachrichten- oder Microblogging-Plattformen (also Xwitter und so) – das an anderer Stelle erwähnte Delta Chat und natürlich Mastodon sind gute Beispiele dafür, dass zentrale Server oder Dienste nicht mehr nötig, also sowas von gestern sind, und dass moderne Dienste auf beliebig vielen, von beliebig unterschiedlichen Menschen oder Organisationen betriebenen Servern laufen und trotzdem miteinander verbunden sind.

In gewisser Weise gehören auch Blogs zum dezentralen Web, auch wenn sie erst langsam (Ping!) und zaghaft (Activitypub!) anfangen, miteinander zu reden. Aber schon vor einem Vierteljahrhundert oder noch früher waren sie ein mehr als vollwertiger Ersatz für die Leserbriefseite der lokalen Zeitung – gibt’s sowas inzwischen eigentlich noch?

Zusammengefasst: Verlasst die zentralen Dienste, lasst Eure Accounts dort, wenn Ihr sie schon nicht löscht, wenigstens in Würde verschimmeln und werft Euch mit frischer Energie auf das dezentrale Web, mit Euren eigenen, föderierten Webseiten, mit Mastodon und anderen Fediverse-Erscheinungen, mit dem Messenger und dem Mailanbieter Eurer Wahl. Dann wird das Netz auch wieder ein etwas lebenswerterer Ort. Wetten?

Ach ja. Die etwas dämliche Überschrift stammt, wenn ich mich recht erinnere, aus dem Buch „ICH, Franz Josef“, mit dem der Karikaturist Dieter Hanitzsch 1982 Franz Josef Strauß, nun ja: porträtierte (Wikipedialink für die Jüngeren unter uns). Sie (die Überschrift) war darin die Kalauer-Übersetzung des englischen Ausdrucks To Whom It May Concern.

1 Gedanke zu „Wem mögen die Konzerne gehören?“

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  • ♻️ Konstantin

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