Man fragt sich, nein: Ich frage mich, ob es Dummheit ist, Dreistigkeit oder schierer böser Wille, wenn Politiker allerlei Geschlechts auf allen denkbaren Ebenen immer wieder verlangen, die verschlüsselte Kommunikation ihrer Mitbürger lesen zu können (aktuelle Beispiele: Schweden, Frankreich und Großbritannien und leider auch immer wieder die von uns eigentlich zu Recht geliebte EU). Es ist inzwischen hinreichend bekannt, auch in den Kreisen derer, die sowas immer wieder fordern (laut genug haben Aktivist/innen es ihnen ja mitgeteilt), dass es eine „sichere“, nur den Guten™ zur Verfügung stehende Hintertür in verschlüsselter Kommunikation nicht gibt. Nein. Es gibt sie einfach nicht.
Wo immer eine Hintertür ist, wird sie auch von den Unguten gefunden und ausgenutzt, im Zweifelsfall viel schneller und intensiver als von den braven Strafverfolgungsbehörden. Die allgemeine Lebenserfahrung der Menschen in der Datengesellschaft (zu denen auch unsere Politicos und Politicas gehören) sagt uns: Mit genügend Grips, social engineering oder auch brutaler Rechenpower lassen sich alle Passwörter umgehen, mit denen eine solche Hintertür gesichert ist (oder auch nicht).
Die wiederholten Versuche, auch auf EU-Ebene, eine backdoor auf gesetzlichem Wege durchzudrücken, kann nur mit dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip („Widde-wie sie mir gefällt“) in den Köpfen der Durchdrücker erklärt werden. Sie verlangen einfach, dass es eine sichere Hintertür nur für die Guten™ geben soll; herauszufinden, wie das umzusetzen ist, ist gefälligst Aufgabe der Eierköpfe, die uns diese Verschlüsselung eingebrockt haben.
Das oben verlinkte Beispiel Schweden zeigt eine mögliche Folge dieser Denk- und Handlungsweise: Signal droht mit dem Rückzug aus Schweden (OK, zur Sicherheit nochmal verlinkt). Und so gern wir uns das vorstellen: Signal tut das nicht, weil es den weißen Ritter in glänzender Rüstung spielen will; es tut es, weil es die Gefahr sieht, bei Befolgung des Gesetzes das gesamte Produkt namens „Sichere Kommunikation“ kaputtzumachen.
Was heißt das für uns alle? Klar, unseren Volksvertretern mit Briefen und Mails auf den Zeiger gehen, so etwas auf keinen Fall zuzulassen. Das hat sicher Erfolg. Weil es die Versuche, eine Hintertür durch- und dann einzudrücken, immer wieder und immer häufiger gibt, ist es aber auch an der Zeit, sich eingehender mit Verschlüsselung zu beschäftigen – über das Bewusstsein hinaus: „Mein Messenger ist verschlüsselt und damit sicher.“ Das heißt nicht, dass jede/r von uns jetzt die neuesten Verschlüsselungsalgorithmen auswendig lernen muss. Aber mehr als eine Möglichkeit, die eigenen Daten zu schützen, sollte der Mensch schon kennen und anwenden.
Denn solange Mitmenschen ihr Bankpasswort noch nach den Namen ihrer Kanarienvögel auswählen und Nazigram Telegram für einen sicheren Messenger halten, ist mir das Prinzip „Es wird schon alles gutgehen.“ einfach zu wenig.