Management sucht Ideen

An sich ist die Sache mit so einem Zettelkasten ja einfach: Man entscheidet sich für ein Tool, digital oder auch analog, bleibt irgendwann nach nicht allzu langer Zeit bei dieser Entscheidung und beginnt, den Zettelkasten zu füllen. Und erst das macht die Sache zum Zettelkasten, erzeugt einen Mehrwert (um dieses gruselige Wort einmal und dann hoffentlich nie wieder zu verwenden) und produziert langsam, aber stetig etwas, was bei der weiteren Arbeit tatsächlich von Nutzen ist.

Oder auch nicht™.

Meine aktuelle Hemmschwelle hat wenig bis gar nichts mit der Entscheidung für ein Tool zu tun, sondern damit, dass ich

  • geschäftliche Daten, also auch Ideen, streng von meinen privaten Daten (also auch Ideen…) getrennt halten will und
  • diese geschäftlichen Daten in einer von besagtem Geschäft ausgewählten Umgebung verwalten soll, und schließlich
  • die letzten Monaten, sagen wir: recht intensiv waren, so dass ich die Abende und Wochenenden meist nur passiv konsumierend (lesend oder glotzend) verbracht habe.

Ob sich das in den nächsten Monaten grundlegend ändert, steht vorerst in den Sternen.

Beim passiven Konsumieren ist mir in der Gemeinschaft der Mastodonten jedoch ein Hinweis auf ein new kid on the block untergekommen: Anytype ist seit drei Jahren in Entwicklung – und immer noch im Alphastadium, auch wenn die Entwickler hoffen, im Sommer in die public beta starten zu können. Alphatester zu werden, ist aber nicht schwer: Mailadresse an- und eingeben (es kann auch eine Wegwerfadresse sein), Einladung bekommen, eine einstündige onboarding-Veranstaltung via Zoom über sich ergehen lassen, herunterladen, installieren und testen.

Und genau das findet hier gerade statt. Erste Eindrücke:

  • Wo Logseq der sachlichere, aufs Wesentliche reduzierte Bruder des derzeitigen Modetools für Ideenmanager Obsidian ist, will Anytype offenbar das verspielte Gegenstück sein, mit einer ganzen Reihe von Objekt- und Relationentypen, einer flexiblen Datenstruktur anstelle der strikten Seitenstruktur von Logseq und Obsidian – kurz: mit vielen Möglichkeiten, sich mit seinen Ideen, Plänen und Vorhaben rettungslos zu verheddern. Also genau das zu tun, was ich auch ohne Tool seit Jahren betreibe.
  • Das mit dem Alphastadium ist – auch wenn es inzwischen angeblich über 12.000 Alphatester sind und es eine aktive Community gibt – zunächst etwas abschreckend. Die Macher behaupten, die Userdaten würden die Geräte der User/innen nie unverschlüsselt verlassen; ohne den Einsatz von Schnüffeltools lässt sich das aber nicht nachweisen. Was dafür spricht: Ich finde die Daten auch lokal nicht unverschlüsselt, sondern nur in binären (??) Formaten. Aber ob das wirklich dafür spricht…? Und gegen das plötzliche und unerwartete Ende der Alphaphase wg. is’ nich’ hilft nur die Erinnerung, das immerhin schon seit drei Jahren an Anytype herumgewerkelt wird und schon ein ganz beeindruckendes Ergebnis dabei herausgekommen ist. Aber für einen Umstieg auf Anytype als daily driver ist es noch zu früh.
  • Was generell ein Problem gegenüber Logseq, aber auch Joplin ist: Die Daten werden nicht als Markdowndateien gespeichert, sondern in einer Datenbank. Es gibt zwar einen Markdown-Export, der saubere .md-Dateien liefert, aber eben manuell oder auch autmatisch angestoßen werden muss. Für Silo-Kritiker ist das ein No-go. Bin ich ein Silo-Kritiker?
  • Überhaupt bleiben noch Fragen offen. In der Onboardingveranstaltung habe ich recht direkt gefragt, wer in den letzten drei Jahren eigentlich hinter Anytype gesteckt hat, und bekam nur als Auskunft, dass es da Finanziers gäbe (ach was!?), aber nicht den kleinsten Hinweis darauf, wer das sein könnte oder auch nur welchen Hintergrund die Sache hat.

Eigentlich schade. Denn so lange, wie ich schon auf der Suche nach “meinem” Zettelkasten bin, würde ich die Suche gerne zu einem Ende bringen und die eigentliche Phase (siehe 1. Absatz) einleiten. Und nicht noch weiter herumtesten und -spielen.

Nachtrag am Abend: Beim Stöbern im Anytype-Forum sofort über den nächsten Kandidaten gestolpert: Capacities. Irgendwie macht die Szene™ es mir nicht einfacher, indem sie mir immer noch eine weitere Option für mein Problem entgegenwirft. Siehe vorheriger Absatz.