Friends don’t let friends use…

Auch dieser, der folgende Beitrag begann sein Leben als Kurznachricht auf der Fediverse-Plattform Mastodon, und vielleicht hätte ich es dabei belassen können/sollen. Habe ich aber nicht.

Toot aus eigener Produktion: "Was sage ich nur einem guten Freund, der seinen Lebensunterhalt u.a. mit Schreiben verdient und sich jetzt über dieses #MS365 freut, das 'plötzlich auf all seinen Geräten aufgetaucht' ist?".
„Plötzlich aufgetaucht“: aus der geheimnisvollen Welt der IT

Was war geschehen?

Gestern morgen fand ich in meiner Mobilbox (auch so’n Wort aus der – zugegeben jüngeren – Vergangenheit) eine Sprachnachricht vor, eingetroffen in der Nacht zuvor irgendwann zwischen halb zwölf und halb zwei. Die Nachricht stammte von dem im oben abgebildeten und verlinkten Toot angesprochenen Freund, der offenbar noch als Nachteule am Keyboard saß; ich habe diese Angewohnheit schon vor ein paar Jahren nahezu aufgegeben. Und in der Nachricht freute sich der Anrufer, dass sein MS Word jetzt ein wenig anders und auf jeden Fall besser aussähe, er sich da aber erst einarbeiten müsse. Und ob ich ihm dabei helfen könne (nachts, zwischen halb zwölf und halb zwei? Eher nicht.)?

So uninteressant die Geschichte für alle Nichtbetroffenen sein mag, so hat sie doch mehrere Ebenen.

Es stimmt: Es gab eine Zeit, in der ich selbst Microsofts Office-Produkte auf meinen Rechnern betrieb. Die Zeit war sogar ziemlich lang: Mein erstes Word hatte ich, als es noch „Word for Windows“ hieß, also kurz nach der letzten Eiszeit. Und sie (die Zeit) endete erst, als ich mir abgewöhnte, Arbeit aus dem Büro (Word/Excel/Powerpoint) mit nach Hause zu nehmen und dort weiter zu bearbeiten – das ist jetzt einige Jahre her. Davor arbeitete ich grummelnd und im Grunde aus lauter Faulheit mit Office-Programmen – weil über viele Jahre hinweg die wechselweise Bearbeitung einer Datei in MSOffice und OpenOffice/LibreOffice zuverlässig zu lustigen Ergebnissen führte.

Zwischendurch hatte ich auch eine Tochter und eine Schwester (keine Sorge, die habe ich beide noch), die als Studentinnen (Tochter: Erst-, Schwester: Zweitstudium) vom bundesdeutschen Bildungswesen bzw. seinen Vertretern zur Benutzung von MS-Produkten gezwungen wurden – ich sage nur: Citavi… Also ließ ich die beiden an meinem Microsoft-Family-Account teilhaben, und dieses Teil haben sie, weil ich vorausbezahlt habe, auch heute noch. Ich finanziere den beiden also eine Gewohnheit, von der ich selbst inzwischen entwöhnt bin. Wie der cleane große Bruder eines Junkies oder so.

Meine Abneigung gegen MS Office stammt übrigens aus einer Zeit, als MS Word ein tollwütiges Monster von einer Anwendung war, die einen bei einem Absturz des Betriebssystems (auch das kam vor!) mit einem komplett unlesbaren Haufen von Rohdaten zurücklassen konnte – öffnen ließ sich eine solch ruinierte Datei schon gar nicht mehr. Besonders Spaß macht das auf Seite 89 eines Pflichtenheftes, und nur die Tatsache, dass ein Kollege eine nicht allzu alte Version der gleichen Datei hatte, bewahrte mich davor, aus dem Fenster zu springen. Ach ja, und die Tatsache, dass die Bürofenster (aus genau diesem Grund?) nur 15 Zentimeter weit zu öffnen waren.

Diese Zeiten sind seit irgendeiner Word-Version zum Glück vorbei. Aber was sage ich meinen Angehörigen, wenn mein Family-Account Geschichte ist, und jetzt schon dem nächtlich anrufenden Freund, der Office-Nachhilfe wünscht?

In Foren hier und dort kursierte mal der Spruch „Friends don’t let friends use GMail“, in Umlauf gebracht vermutlich von einem weniger erfolgreichen Maildienstanbieter. Nicht erst in der Ära Trump II gibt es genügend Grund dafür, Freunde von GMail abzubringen (Datenschutz, ungewollte Profilerstellung, ehschowiss’n), und nicht erst in der Ära Trump II stelle ich mir – auch angesichts der vielen GMail- bzw. MS Office-User in meiner kleinen Welt – die Frage:

Was geht’s eigentlich mich an?

Soll’n’se doch. Ich kann immer noch, wenn das Gespräch darauf kommt, beiläufig erwähnen, dass ich beim Problem du jour leider nicht weiterhelfen kann, weil ich aus welchen Gründen auch immer andere Lösungen bevorzuge. Aber den ebenso spinnerten wie erfolglosen Missionar muss ich nun wirklich nicht mehr spielen. Oder doch?

Keine Pointe.

2 Gedanken zu „Friends don’t let friends use…“

  1. Was ich viel schlimmer finde und irgendwie gar nicht nachvollziehen kann ist die Tatsache, dass sich mein ÖR Arbeitgeber EDV-technisch weitestgehend abschirmt und ich am Tag diverse Logins und Multifaktoren und, und, und absolvieren darf um überhaupt an seinem heiligen Netz teilzuhaben und dann läuft da Office 365. Für Alles. Ich versteh natürlich, dass so ein Paket in der Wartung ggf. angenehmer und handlicher ist, aber ob das das Risiko einer absoluten Abhängigkeit wert ist?

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    • Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Und wahrscheinlich sind die Organisationen, die sich die Bequemlichkeit ins Haus geholt haben (und damit die Eigenverantwortung z.B. für einen – grusel! – Domino-Server endlich losgeworden waren), alle durch langfristige Verträge gebunden. Und die Rechnungshöfe und andere Instanzen achten sehr darauf, dass nicht unnötig (was immer das heißen mag) Geld ausgegeben wird.

      Außer beim rbb natürlich.

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